Erzbischof Haas Festprediger beim Fidelisfest 25.4.1999

Inhaltsverzeichnis98/05/19: Toleranztest. Die Ankündigung der Einladung; die Genehmigung unseres Erzbischofs Oskar Saier
98: Reaktionen. Ein Briefwechsel mit Glossierung
99/04/30: Die Festpredigt von Erzbischof Wolfgang Haas am Fidelisfest 25.4.1999
99/05/07: Wer hat ihn nun bestanden – den Toleranztest?  Die Fidelisgemeinde, der Bischof, die Gäste, die veröffentlichte Meinung, die Ferngebliebenen? – und was ist das denn überhaupt, Toleranz?


98/05/19:

Toleranztest
oder warum ich Erzbischof Haas, Vaduz, als Festprediger eingeladen habe.

Am Fidelisfest 1998 konnte ich der Pfarrgemeinde St. Fidelis die erfreuliche Mitteilung machen, daß ich für das nächste Fidelisfest, das wir am Sonntag, 25. April 1999 feiern werden, bereits die Zusage eines Festpredigers habe. Beim Fidelisfest 1998 mußte ich wieder einmal selber diesen Dienst übernehmen; die Prediger unserer Heimat, die etwas zum hl. Fidelis zu sagen haben, sind entweder schon mal da gewesen oder unabkömmlich. Auch der Guardian der Kapuziner von Feldkirch gab folgende Auskunft: Sie brauchen in Feldkirch am Fidelisfest, das sie am selben Sonntag feiern wie wir, ihre Leute selbst. Er hat mich nach Chur verwiesen.

Schon zu Lebzeiten des heiligen Fidelis war der Bischof von Chur dessen zuständiger Bischof. In Chur befindet sich heute das Grab des heilige Fidelis in der Krypta unter dem Bischofsaltar. Daran hatte mich der Churer Bischof Wolfgang Haas bei einem zufälligen Treffen in Zürich-Kloten im Sommer 1997 erinnert. Wir sind im selben Flugzeug nach Rom geflogen. Er zum Ad-Limina-Besuch der Schweizer Bischöfe beim Papst; ich zum erstenmal in meinem Leben, weil mich meine Esperanto-Freunde dringend gebeten hatten, die gesangliche Leitung bei den Gottesdiensten des 50. Katholischen Welt-Esperantokongresses (siehe die Grußworte des Papstes bei diesem Kongreß) zu übernehmen.

Anscheinend hatte nicht nur ich, sondern auch der inzwischen zum Erzbischof von Vaduz, Lichtenstein, ernannte Wolfgang Haas eine gute Erinnerung an dieses Gespräch. Denn meine schriftliche Anfrage in Chur, ob jemand von den Wächtern des Fidelisgrabes, vor allem der oberste von ihnen, uns in St. Fidelis in Villingen mal eine Festpredigt halten wolle, bekam ich die schriftliche Antwort, Erzbischof Haas sei bereit, diesen Dienst am Sonntag, 24. April 1999, zu übernehmen. Im Buch „Fidelis von Sigmaringen und seine Zeit“ von Beat Fischer schreib Bischof Haas im Geleitwort: „Als Bischof Hüter eines Teiles der Reliquien des heiligen Fidelis von Sigmaringen sein zu dürfen, ist nicht nur eine Ehre, sondern vor allem auch eine Verpflichtung.“

Einen kompetenteren Festprediger als den bisherigen Bischof vom Grab des heiligen Fidelis kann es nicht geben. Und weil ich ihn auch als einen umgänglichen Menschen kennen gelernt habe, dem ich ohne weiteres die Qualität eines guten Predigers zutraue, freue ich mich auf diesen Besuch. Wenn einige Schweizer mit ihm im Streit liegen, was ja manche Kreise allemal mehr interessiert als gute Gespräche und gute Predigten, dann frage ich, warum? Bis jetzt konnte mir drauf niemand eine klare Antwort geben. Für mich ist er ein Bischof der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche (und dabei ist mir jedes einzelne Wort wichtig), von welchem ihrer Flügel auch immer.

Wo der Bischof ist, da ist die Kirche. Der rechtmäßig geweihte und amtierende Bischof ist Nachfolger der Apostel (die apostolische Kirche). Als Mitglied des Bischofskollegiums nimmt jeder Bischof unter der Leitung des Nachfolgers des Petrus an der Sorge für die ganze, weltweite Kirche teil (die katholische Kirche). Dem Bischof ist die Fülle des Priestertums zur Heiligung der Welt anvertraut, die er selbst (und durch die von ihm geweihten Priester) insbesondere in der Eucharistiefeier vermittelt. Das geschieht aber auch durch sein Gebet und seine Arbeit, und besonders auch durch den Dienst am Wort Gottes, das er mit Autorität zum Heil der Welt verkündet (die heilige Kirche). Dabei ist nicht in erster Linie die persönliche Heiligkeit des Amtsträgers entscheidend, so sehr der Einzelne sie anstreben muß, sondern die Heiligung, die Gott durch ihn gerade in seinem Amt wirkt.

In jedem Bischof kommt eine andere Facette der Vielfalt und Universalität der Kirche zum Leben. Zugleich ist jeder Bischof als Mitglied des Kollegiums der Bischöfe ein Zeichen der Einheit der Kirche. Die Weite der katholischen Kirche kann viele verschiedene Ausprägungen dieser Katholizität in sich enthalten. Entscheidend ist, ob diese Vielfalt in der Einheit mit dem Nachfolger des Petrus bleibt, der das sichtbare Fundament für die Einheit der Vielfalt von Bischöfen und Gläubigen ist (die eine Kirche). Die uns von Jesus aufgetragene Einheit der Kirche wird besonders darin deutlich, wie wir zu unseren Bischöfen stehen.

Die obigen Grundsätze zum Bischofsamt in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche kann man ausführlicher nachlesen im Katechismus der katholischen Kirche, 882 – 893. Wie tolerant können nun die verschiedenen Flügel der Kirche in St. Fidelis und in Villingen miteinander umgehen? Wie steht es um die Einheit der Kirche bei uns? Wir werden es in der Vorbereitung auf das Fidelisfest 1999 erfahren. Eine volle Kirche werden wir am Fidelisfest 1999 haben. Ob alle von uns den mit diesem Besuch verbundenen Toleranztest bestehen, wird man ja sehen. Und auf das Ganze ist gespannt

Ihr Pfarrer Eichkorn

NB: Der obige Artikel erscheint in etwas gekürzter Form in neuen Fidelis-Info 6/1998.


Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariates Az: GV 16536 vom 20. Mai 1998

Herrn Pfarrer
Geistl. Rat Bernhard Eichkorn
Romäusring 20
78050 VS-Villingen

Sehr geehrter Herr Pfarrer,
unser Herr Erzbischof ist damit einverstanden, daß der hochwürdigste Herr Erzbischof Wolfgang Haas, Vaduz, am Sonntag, 25. April 1999, mit der Pfarrgemeinde St. Fidelis den Festgottesdienst mit Predigt zelebriert.
Die Verwendung der Pontifikalien gem. can. CIC ist ihm gestattet.
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Otto Bechtold, Generalvikar


98/10/09

Reaktionen auf die Einladung von Bischof Haas – Ein Briefwechsel mit Glossierung

Bernd Müller schrieb:
>
> Grüß Gott, lieber Bernhard,
> vor einiger Zeit las ich auf eurer Webseite, dass ihr den Bischof Haas
> aus Liechtenstein eingeladen habt zu einer Predigt. Was ist daraus
> geworden? Meine Schwester interessiert sich sehr dafür. Sie hätte
> gerne mit deiner (schreibt man ja jetzt klein – Rechtschreibreform)
> Haushälterin gesprochen, aber sie war damals krank.
>
> Viele liebe Grüße
> Bernd Mueller, Pfarrer
> Hauptstr. 42
> D-77743 Neuried
> Tel. 07807/9550-43 – Fax: 07807/9550-44
> eMail-Adresse: BerndKMueller@t-online.de
>           und: Kath.Pfarramt.Neuried@gmx.de

Lieber Bernd,
es freut mich, wieder mal von Dir zu hören.
Die Einladung von Bischof Haas steht.
Es gab eine kleine Sensationsnachricht in der hiesigen Presse nach dem Motto:
Böser Bischof wird von hinterwäldlerischem Pfarrer gegen brave Gemeinde eingeladen
(Südwestpresse, die in St. Fidelis wohl 2 Abonnenten hat)
und: Umstrittener Bischof eingeladen (Südkurier und Schwarzwälder Bote;
bei beiden kam mein Name zum ersten Mal in meinem Leben auf die Titelseite,
wenn auch ganz winzig am Rande – ich lach mich krumm).
Dann kam auch noch die KNA: „Pfarrer will Toleranz seiner Gemeinde testen“.
In Chur hat mir der Sakristan der Kathedrale
letzte Woche bei unserer Pfarrwallfahrt zum Grab des heiligen Fidelis gesagt,
die KNA-Nachricht sei auch bei ihnen in der Tageszeitung gestanden.

Daraufhin habe ich ca. 40 mündliche und wenige schriftliche Reaktionen
erhalten; 10 % „Sauerei“, 10 % „Oh Gott, Oh Gott“, 10% „hmhmhm“
und 70 % „weiter so, Pfarrer!“. Seither ist Funkstille,
d.h. manchmal knistert ein kleiner Funke – man ist dabei, die Sache zu verdauen.

Unser Erzbischof hat ja via Generalvikar den Besuch genehmigt (siehe oben)

Mit freundlichen Grüßen von Bernhard Eichkorn.


99/04/30

Festpredigt von Erzbischof Wolfgang Haas, Lichtenstein,
am Fidelisfest 25.4.1999 in St. Fidelis, Villingen

Sehr verehrter Herr Pfarrer Eichkorn, liebe Mitbrüder im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern im Herrn.

Heute an diesem Guthirtensonntag bin ich mit großer Freude in meinem Herzen hierher gekommen zu Euch nach Villingen, um mit Euch hier in der St. Fideliskirche, in dieser schönen Kirche, die uns einlädt, unsere Augen auf den zu richten, dessen Fest wir feiern. Um mit Euch, der Pfarrgemeinde und denen, die dazu gekommen sind zu dieser heiligen Feier, ein Fest zu feiern, das mir selber nahegeht.

Denn wie Euer Pfarrer zu recht am Anfang erinnert hat, ist es so, daß ich über 8 Jahre als Bischof von Chur Hüter von Hauptreliquien dieses Heiligen war. Und jetzt in meinem neuen Kleinsterzbistum, da fühle ich mich noch einmal verbunden mit dem Heiligen, den wir feiern, denn die kleine Erzdiözese liegt geographisch zwischen jenem Ort, wo das Haupt des Hl. Fidelis aufbewahrt wird, nämlich Feldkirch im Vorarlbergischen und eben Chur, wo die Gebeine des Hl. Fidelis ruhen. In meinem kleinen Erzbistum, da gibt es ein altes St. Fidelisbild, es ist jetzt im Pfarrhaus von Bendern, und dieses Bild erinnert sehr an jenes Bild, das Ihr habt restaurieren lassen, und das heute einen würdigen Platz in dieser Kirche bekommen soll. Wir blicken auf das Bild des Heiligen aber mehr noch auf den Heiligen selber, und wir tun es heute miteinander als diese feiernde eucharistische Gemeinschaft, die wir sind. Wir tun es in einem geistig geistlichen Sinne, und wir schauen auf den, der auch unserer Zeit viel zu sagen hat.

Mit Villingen verbindet bekanntlich den Heiligen vor allem dies eine Ereignis, daß er von hier aus sozusagen seine Doktorarbeit eingereicht hat, damals als er zum Doktor beider Rechte promoviert hatte, weil die Universität von Freiburg im Breisgau durch eine Pestepidemie hierher verlegt werden mußte nach Villingen zu Euch. Dieses historische Detail läßt auch Euch in einem doppelten Sinne freudig sein, denn der Heilige hat für eine wenn auch kurze Zeit hier gelebt.

Nun leben ja in jeder Zeit Heilige mitten unter uns. Heilige, die nicht wie er zur Ehre der Altäre erhoben worden sind oder werden, sondern Heilige, die eben ihre christliche Aufgabe im Hier und Heute ernst nehmen und die zu recht als von Gott geliebt und seine auserwählten Heiligen bezeichnet werden können. Seien Sie nicht erstaunt, wenn ich sage, daß Sie alle, die Sie hier sind, diese von Gott geliebten, von ihm auserwählten Heiligen sind. Der Hl. Paulus, der dieses Wort an die Gemeinde von Kolossä gerichtet hat, er möchte, daß auch wir dieses Wort, diesen Gruß verstehen, denn in diesem Gruß liegt ein heiliger Auftrag, den wir alle jeder in seinem Stand, in seiner Aufgabe, gemäß seiner Berufung zu erfüllen haben. Und wir sollen es tun nach dem Vorbild, nach dem Beispiel jener, die durch ihr vollendetes Heiligsein leuchten bis in unsere Tage herein, eben auch nach der Art und Weise, wie es der Hl. Fidelis in seinem Leben getan hat.

Aus seiner Kindheit wissen wir eigentlich wenig. Wir wissen wohl, daß er in Sigmaringen aus einer an sich doch bedeutenden Familie hervorgegangen ist. Ein Familie, die ursprünglich in Antwerpen beheimatet war, aber dann doch in diese Gegend zog und sich eben in Sigmaringen niederließ. 1577 oder 78 ist er geboren und was wir aus seiner Kindheit wissen ist eigentlich nur dies, daß er ein ganz eifriger, fleißiger Schüler war, aufgeweckt eben für all das, was auch durch Wissen einem Menschen geschenkt wird und daß er sich vor allem auszeichnete durch ein gutes Benehmen. Ist das nicht auch etwas, was unseren jungen Menschen heute etwas zu sagen hat?

Manchmal werfen ja die älteren Menschen jungen Menschen vor, sie seien heute oft recht flegelhaft oder etwa in dieser oder jener Weise unhöflich. Es liege der heutigen Jugend nicht, sich durch ein besonderes Benehmen auszuzeichnen. Meine Lieben, dem ist nicht so. In vielen jungen Menschen, wir sehen es auch heute bei den Ministranten, die da sind, ist durchaus diese Gabe und Fähigkeit vorhanden, sich, eben wie jetzt, in ein heiliges Geschehen einzuordnen und durch diesen äußeren, würdevollen Ausdruck uns alle anzuleiten, daß auch wir immer wieder die Würde unseres Christseins entdecken. Vor allem auch die Würde einer feierlichen Gemeinschaft wie wir sie sind. Wir sollen daher junge Menschen und Kinder anleiten, daß sie durchaus auch dieses höfliche Benehmen, diese besondere Form eines geordneten Lebens und Zusammenlebens annehmen. Und wir alle als erwachsene Menschen haben allen Grund, ihnen mit dem guten Beispiel voran zu leuchten, und so wie Fidelis es selber in jungen Jahren gemacht hat, uns durch Höflichkeit und Benehmen auszuzeichnen. Das ist gar nichts Altmodisches, sondern das gehört zu einer Kultur der Liebe, zu einer Zivilisation der Liebe, wie sie gerade auch heute im mitmenschlichen Zueinander herrschen soll.

Nun ist ja der Hl. Fidelis eigentlich ein Spätberufener. Zunächst einmal hat er sich dem Philosophiestudium gewidmet und auch dort seine Promotion abgeschlossen. Und er hat dann die sogenannten „beiden Rechte“ studiert und noch einmal mit einer Doktorarbeit unter Beweis gestellt, daß er dieser fähige Intellektuelle war, der aber gerade nicht in intellektueller Arroganz endete, sondern bei alledem ein demütiger und bescheidener Mensch blieb. Als er ins Gerichtswesen einbezogen wurde, um dort als Anwalt zu wirken oder gelegentlich auch ein richterliches Urteil zu fällen, da hat er sich ausgezeichnet durch eine besondere Vorliebe für die Armen, die keine Stimme haben. Er war nicht derjenige, der sozusagen sich auf die Seite der Mächtigen schlug, nur um auch mächtig sein zu können, sondern er war gerade derjenige, der auch denen eine Stimme geliehen hat, die eben keine Macht hatten und ihre Rechte damals nicht durchzusetzen imstande waren. So wurde er zu recht als ein Anwalt der Armen, der Bedrängten verstanden und dieser Gerechtigkeitssinn, der ihn prägte, war den Menschen auffallend bewußt.

Nun hat aber Gott es mit ihm anders vorgehabt, als er es vielleicht in seinem eigenen Leben plante. Plötzlich entdeckte er, es geht im Leben noch um viel mehr, als nur um Gerechtigkeit. Er sollte in ein Werk einbezogen werden, das besonders der Barmherzigkeit dient und dieser innere Ruf, der ihn erreichte, führte ihn in den Kapuzinerorden. Sein eigener Bruder war schon Kapuziner, er trug den Namen Pater Apollinar, und Markus, der jüngere Bruder, sollte in den selben Orden eintreten. Er nahm den Namen Fidelis an. Heute hätte ja Markus Roy, wie Pater Fidelis hieß, seinen Namenstag, und es sollte eine geheimnisvolle Fügung sein, daß er einmal am Tag vor seinem ursprünglichen Taufnamenstag den Geburtstag für die Ewigkeit erreichen sollte, nämlich durch den Märtyrertod.

Pater Fidelis war von einem ausgesprochen missionarischen Eifer ergriffen und er bat darum, daß er gerade in der rätischen Mission wirken dürfe, nachdem er zuvor Guardian in Feldkirch war; und dies wurde ihm schließlich ermöglicht und er hat in dem damals reformiert gewordenen Gebiet des Prätigau die Menschen wieder gewinnen wollen für den katholischen Glauben, den sie verlassen hatten.

Nun war es nicht seine Art, daß er gewaltsam die Menschen zum katholischen Glauben zurück führen wollte. Pater Fidelis zeichnete sich dadurch aus, daß er in Liebe für die Wahrheit geworben hat. Im Unterschied zu den politischen Kräften damals, hat er nicht sozusagen weltliche Macht einsetzen wollen, um die religiösen Verhältnisse zu verändern, sondern er hat versucht, in Glaubensgesprächen, wir würden heute sagen im Glaubensdialog, die Menschen für die Wahrheit zu gewinnen.

Und nach dem die gegnerischen Kräfte gespürt hatten, daß er gerade mit diesen Glaubensgesprächen und mit seinen einfühlsamen Predigten die Menschen für den Herrn und die volle Wahrheit zu gewinnen imstande war, da löste das in diesen gegnerischen Kräften eben Ablehnung, Zorn und Haß aus; und an jenem 24. April 1622 zerrten sie ihn vor die Kirche hinaus, nachdem er einmal mehr eine zu Herzen gehende Predigt gehalten hatte, und erschlugen ihn auf brutale Weise in der Nähe der Kirche. Diejenigen, die von seinem Tod berichten, sagen, er hätte ähnlich unserem Herrn oder dem Stephanus gemäß gesagt: „Verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“.

Der Hl. Fidelis, der damit der erste Märtyrer der „Propaganda Fide“ ist – also der Kongregation für die Glaubensverbreitung -, und der auch der erste Märtyrer des Kapuzinerordens ist, er hat es dem Herrn gleich getan und noch in der letzten Stunde verziehen. Er hat das Werk der Barmherzigkeit, das er im Kapuzinerorden insbesondere erleben und auch verwirklichen wollte, bis zu seinem letzten Augenblick durchgehalten. Und er hat somit seinem Gerechtigkeitssinn eben auch den Sinn für die Barmherzigkeit verbunden und aus Liebe verziehen, auch denen, die ihm feindlich gesinnt waren.

So hat uns also dieser Heilige bis in die heutige Zeit und darüber hinaus viel zu sagen. Und wir sollen mit unserem geistig geistlichen Auge auf den schauen, der nicht nur durch Gerechtigkeit, durch seinen Gerechtigkeitssinn leuchtet, sondern der uns auch ein Beispiel gibt, wie wir immer in unserem Leben barmherzig sein sollen; wie wir immer bereit sein sollen, zu verzeihen und zu vergeben, dort wo andere Menschen an uns schuldig geworden sind; wie wir eben nie aufhören, gerade auch die Feindesliebe zu pflegen. Und wir sollen darin im Hl. Fidelis nicht nur ein Vorbild, sondern auch einen großen Fürsprecher erkennen.

Er hat ein Gebet formuliert, das ganz gut zu alldem paßt, was ich Euch, liebe Brüder und Schwestern, zu sagen versuchte. Das Gebet des Hl. Fidelis lautet so:

„Gütigster Jesus, bewahre mich davor, daß ich je einen Menschen, und mag er mich noch so hassen und verfolgen, verachte, geringschätze, ihn herabsetzte oder mich von ihm abwende. Laß in mir niemals Haß oder nur auch eine bittere Empfindung in mir aufkommen, laß nicht zu, daß ich an seiner Besserung verzweifle so lange er lebt.“

Das ist die Art, meine Lieben, wie wir als Christen beten sollen, das ist die Art, meine Lieben, wie wir leben sollen. Wir sollen immer bis zum Letzten jedem eine Chance lassen und dafür beten, daß er diese Chance wahrnimmt. Wir sollen niemanden, aber auch gar niemanden abschreiben, sondern jedem Menschen, wo immer wir sind und wirken, eine Möglichkeit geben, aufzuholen, sich zu versöhnen und wieder neu zu beginnen. Das gilt gerade auch für die jungen Menschen unserer Tage.

Liebe Eltern und Erzieher, die Ihr heute mit jungen Menschen zu tun habt, laßt gerade den jungen Menschen, vielleicht bei allem Versagen, das da sein mag, eine Chance. Gebt Ihnen die Gelegenheit, sich immer neu zu bewähren. Verzeiht hundert und tausend Mal, wenn es nötig ist, aber laßt es zu, daß immer ein Neubeginn möglich wird. So ahmt Ihr das Beispiel des Hl. Fidelis nach. So könnt auch Ihr am Ende Eures Lebens einmal sagen: „Wir sind durch Gerechtigkeit und mehr noch durch Barmherzigkeit, treu geblieben bis in den Tod, und deshalb sind auch wir wie Fidelis treue Menschen, wenn es darum geht, die wahre Gerechtigkeit und die wahre Barmherzigkeit zu leben und zu schenken. Amen.


99/05/07

Wer hat ihn nun bestanden – den Toleranztest?

Gedanken von Pfarrer Bernhard Eichkorn

1. Die Fidelisgemeinde und Bischof Haas,
denn das Fidelisfest 1999 war ein schönes Kirchenpatrozinium: Festlich, fromm, fröhlich. Wir haben zunächst einen schönen Festgottesdienst gefeiert mit Festgemeinde, Kirchenchor, Ministranten. Durch unseren bischöflichen Zelebranten wurde wieder einmal der altkirchliche Satz erlebbar: Wo der Bischof ist, da ist die Kirche. Seine Festpredigt ging jedem, der zum Hören des Wortes gekommen war, zu Herzen. Ich erinnerte mich an das schöne Wort, das Erzbischof Wolfgang Haas in seiner ersten Predigt beim Amtsantritt im Erzbistum Vaduz 1998 gesagt hatte: Ich will Euch nicht nur ein Erzbischof, ich will Euch ein Herzbischof sein.

Die Predigt können Sie oben selbst nachlesen. Wenn der geschriebene Text auch die Ausstrahlung der Persönlichkeit nicht mehr wiedergeben kann, so wird doch jeder Mensch guten Willens nachdenklich die Aufforderung des heiligen Fidelis lesen, der betete: „Gütigster Jesus, bewahre mich davor, daß ich je einen Menschen, … verachte, geringschätze, ihn herabsetzte oder mich von ihm abwende“. Und wenn Erzbischof Haas dazu sagt: „Wir sollen immer … jedem eine Chance lassen“, dann dachten mit mir viele an die Unversöhnlichkeit, ja an den Haß, der diesem Bischof in Chur über 8 Jahre entgegengeschlagen ist. Und ich mußte unwillkürlich an die Bergpredigt denken: „Selig seid Ihr, wenn Ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt. … Denn so wurden schon vor Euch die Propheten verfolgt“ (Mat 5,11f). Ungrechtigkeit fordert mich immer heraus, mich auf die Seite des zu Unrecht Angegangenen zu stellen. Ich habe nun über ein Jahr lang versucht, herauszubekommen, wo dieser Bishof Unrecht getan hat. Ich habe nur das Gegenteil gefunden.

Fröhlich haben wir nach der Meßfeier im vollen Fidelisheim die humorvollen Worte unseres Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Claus Scharbach und die schmunzelnde Antwort des Bischofs vernommen: Schaut mich an, ob ich wirklich das Monstrum bin, als das man mich darstellt. Und dann umlagerten ihn die Menschen. Ein Bischof zum Anfassen. Kaum daß er seine Mittagessen verzehren konnte, so viele kamen. Am liebsten würde ich Euch jenes Bild zeigen, wie der füllige Bischof vor dem kleine Bub kniet, um ihn anzusprechen und ihn auf Bitte vom Oma und Mama zu segnen. Und schließlich hat er sich mit uns über die Auszeichnung von Frau Klara Müller gefreut, die für ihre treuen ehrenamtlichen Dienste die Fidelismedaille erhalten hat.

2. Viele Besucher von auswärts.
Viele haben uns angerufen, geschrieben und angesprochen, viele unbekannte Gesichter waren zu sehen. Einigen „Hiesigen“ war das ja nicht so recht. Ich aber frage sie: Soll St. Fidelis eine verschlossene Gemeinde sein? Freut Euch mit mir, daß sich diese Fidelisgemeinde geöffnet hat für einen fremden Bischof und für etliche fremde Leute, die ihn auch erleben wollten. Wir haben wahrlich vor diesen Besuchern einen guten Eindruck gemacht als eine offene und gastfreundliche Gemeinde, die einen Bischof auch dann nicht ausgrenzt, wenn er in der veröffentlichten Meinung „out“ ist, ja wenn selbst der ins Aus gedrängt wird, der zu einem Bischof der katholischen Kirche steht. Daß aber gerade die jungen Geistlichen von Villingen uns an diesem Fest die Ehre ihrer Anwesenheit gegeben haben, hat mich besonders gefreut. Ich sehe darin ein Zeichen der Solidarität mit dem Bischof und mit mir.

3. Die veröffentlichte Meinung
hat meinen Toleranztest umso weniger bestanden, je weiter weg von St. Fidelis der Schreiber oder Meinungsäußerer seinen Bereich hat. (Zur Vorgeschichte siehe oben) Der objektivste Bericht zu unserem Fidelisfest kam von einem Berichterstatter, der in unserer Gemeinde wohnt. Wenn ein anderer Zeitungsbericht, anstatt objektiv über unser Fest zu berichten, statt dessen hauptsächlich die negativen Floskeln von gestern bemüht, mit denen eine interessierte Gruppe in Zürich gegen Bischof Haas in Chur jahrelang Stimmung gemacht hat, dann bleibt dem zuständigen Überschriftenschreiber nur noch die großartige Quintessenz: „Er predigte nur über den heiligen Fidelis“. Als ob er wegen etwas anderem eingeladen worden wäre. Der Höhepunkt war dann, daß in ein und demselben Artikel der Bischof vor leeren Bänken predigte, der Kirchenchor aber vor einer vollen Kirche sang. In der Tat: der Schreiber hatte zum Beginn der Meßfeier in der einzigen noch leeren Bank Platz genommen. Und weil er nach der Predigt – von der er keinen einzigen Gedanken berichtete – die Meßfeier verließ, konnte er nicht erleben, daß diese Bank für die kleinen Kinder und ihre Betreuer nicht ausreichte, als sie – wie jeden Sonntag in St. Fidelis üblich – bei der Gabenbereitung von ihrer kindgemäßen Vorbereitung zur Meßfeier der Gemeinde kamen. Da war dann auch die letzte Bank in der Kirche besetzt. Vorurteile machen halt blind. Da bleibt nur ein Trost: Es gibt nichts Älteres als die Zeitung von gestern.

4. Und die Fidelianer, die wegblieben?
Von 2 Familien weiß ich es – mit einem Ehepaar habe ich gesprochen. Sicher waren es noch einige mehr. Aber eine Massenflucht war es nicht. Ich hätte es als eine weltoffene Haltung angesehen, wenn alle Fidelianer den Menschen und Bischof Wolfgang Haas einmal angehört und miterlebt hätten, besonders diejenigen, die anderes von diesem Mann gehört und gelesen haben. Es ist nichts Neues, daß es unter uns immer U-Boote gibt, die wegtauchen, wenn Zivilcourage nötig wäre. Wenn aber die verschiedenen Flügel und Persönlichkeiten der Kirche der Begegnung untereinander ausweichen, wird es gefährlich. Lieben heißt im biblischen Sinn: Mitmachen. Nicht Mitmachen aber ist das biblische Hassen. Hier beginnt die Spaltung. Jesus aber ruft uns, „daß alle eins seien“. Die Einheit der Kirche können wir nur erhalten oder gar wieder schaffen, wenn wir bereit sind, uns als Menschen zu begegnen. Voreinander davonlaufen schafft Spaltung. Und damit das nicht passiert, braucht es der Toleranz.

5. Toleranz, was ist das eigentlich?
Das Wort kommt vom lateinischen tolerare = (er)tragen, aushalten, mühsam erhalten. Zur Toleranz gehört die Mühe, Spannung auszuhalten zwischen etwas, das um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen erhalten werden muß, und etwas, das diesem Erhaltenswerten widerspricht. Toleranz ist im Technischen die Ungenauigkeit, die noch geduldet werden kann, wenn die Sache funktionieren soll. Toleranz ist Duldsamkeit gegenüber Personen bei allem Ringen in der Sache. Sie ist eine Tugend humanitärer Gesinnung, die jeden Menschen, auch den irrenden Menschen, respektiert, aber sich der Wahrheit verpflichtet weiß und dem Irrtum widersteht. Der moderne Skeptiker sagt in diesem Fall: Was ist Wahrheit (Pilatus zu Jesus), und gleitet ab in die Gleichgültigkeit, ja bei Ungerechtigkeit wäscht er seine Hände in Unschuld. Der moderne Kämpfer andererseits hat seine Idee und macht seinen Gegner fertig, wo immer er kann. Der gläubige Christ aber handelt nach dem Wort Jesu: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Er wird jeden Menschen tolerieren, aber er wird alle Worte und Taten an den Worten und Taten Jesu messen und das Unrecht bekämpfen. Er wird mit Jesus sagen: „Ich verurteile dich nicht. Gehe hin und sündige nicht mehr!“ Gegenüber jedem Menschen gilt: „Wir sollen immer bis zum Letzten jedem eine Chance lassen und dafür beten, daß er diese Chance wahrnimmt. Wir sollen niemanden, aber auch gar niemanden abschreiben, sondern jedem Menschen, wo immer wir sind und wirken, eine Möglichkeit geben, aufzuholen, sich zu versöhnen und wieder neu zu beginnen.“ (Bischof Haas in seiner Predigt siehe oben)  Ist das nicht höchste Toleranz?

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