Der 15. ökumenische Esperanto-Kongress

„Was macht man eigentlich bei einem christlichen Esperanto-Kongress? Sitzt man da nur den ganzen Tag in der Kirche und betet?“ Das fragten nicht nur ein paar Holländer und Franzosen, die abends im Straßencafé mit einem KELI-Vertreter ins Gespräch kamen. Das fragen sicher auch nicht wenige Außenstehende, Am besten überwindet Vorurteile, wer kommt und sieht. Am zweitbesten, wer sich genau berichten lässt.

Was haben die 160 Erwachsenen und 40 Jugendlichen getan, die in der Woche vor dem Weltkongress ebenfalls in Zagreb versammelt waren? Gewiss, sie gingen in die Kirche, sie haben gebetet und gesungen, sogar viel gesungen – aus dem neuen Gesangbuch ADORU, dessen Titel auch das Kongressthema lieferte. Aber sie haben vor allem eine Woche lang miteinander ein intensives Leben gelebt, international und interkonfessionell, von der Frühmesse, der ökumenischen Morgenandacht und dem Frühstück bis zum Abendkonzert und dem Bunten Abend. Alles organisiert und die Kontakte zu den örtlichen Verantwortlichen hergestellt und aufrecht erhalten hat Marija Beloševi – von der Unterkunft und Verpflegung in den Räumen des Priesterseminars bis zum Tagesausflug und den Begegnungen mit dem Weihbischof und dem Professor für Ökumenik an der katholischen theologischen Fakultät..

Jeder Tag beginnt mit einer Messe – die Katholiken sind in der Überzahl, aber die andern brauchen sich nie überfahren zu fühlen Bald hat man es sich abgewöhnt, ständig nach dem Proporz zu fragen. Die Morgenandacht für alle hat unterschiedliche Gestalt, je nachdem, wer dafür sich vorbereitet hat. Zettel und Hefte braucht man nicht mehr – in ADORU ist alles zu finden, was man dafür braucht. Nach dem Frühstück beteiligen sich die meisten Teilnehmer an einer Stunde Offenes Singen -von Adolf Burkhardt und Albrecht Kronenberger geleitet, mit KMD Ernst Leuze am Klavier: ein Versuch, im Lauf einer Woche wenigstens ein paar Schneisen durch die Fülle zu schlagen. Aber es wird auch jeden Tag Zeit ausgespart, um Wünsche nach spontanen Zurufen zu erfüllen, sei es, ein entdecktes Lieblingslied miteinander zu singen oder etwas Unbekanntes oder Überraschendes einzuüben – in welchem Gesangbuch gibt es Strofen, die Aids und BSE in die Fürbitte aufnehmen? ADORU Nr. 574 ist dies der Fall.

Zwei Vorträge folgen vor dem (freiwilligen) Mittagsgebet und dem Mittagessen: Philippe Cousson spricht über die Ordnung des reformierten Gottesdienstes – auch dazu schlägt man wieder ADORU auf. Siegfried Krüger referiert über die Zahlensymbolik; das Publikum trägt selbst bei, was es schon weiß. Nachmittags macht Dr. Ulrich Matthias, der Autor des Buches über Esperanto als das neue Latein der Kirche(n) eine Stippvisite und erzählt auch von seinen Erlebnissen in China. Er hat es eilig, denn in Dänemark wartet seine Braut, eine chinesische Esperantistin, auf ihn. Sie bekam die erforderlichen Visa für Schengen und Kroatien nicht – auf der Teilnehmerliste ist Nan verzeichnet. Eine Gruppe zieht mit Grete Burkhardt in einen andern Saal um und verwandelt sich rasch in einen begeisterten Folkloretanzkreis.- Im Abendprogramm stellt sich die Jugend mit einem bunten Programm vor, unter Leitung von Ewa Bondar aus Polen und Helena Novakova aus Tschechien. Pfarrer Kronenberger schließt den Tag mit einem Abendlied und Luthers Abendsegen. – Das alles samt Vorstandssitzungen und Beratungen der Programmkommission und viele Gespräche bei Tisch und bei den Spaziergängen ums Haus hatte Platz am ersten Arbeitstag, dem 16.Juli.

Auf diese Weise weiter zu erzählen würde eine ganze Nummer füllen und könnte trotzdem das nicht wiedergeben, was die Teilnehmer erleben. Wer es irgend machen kann, sollte es sich deshalb nicht entgehen lassen, im Kalender der kommenden Jahre die Termine rot anzustreichen und dabei zu sein.

Was gab es noch? Tägliche Joga-Übungen mit Vera Tuinder, ein brillantes öffentliches Konzert mit Werken von Bach, Brahms und Lemmens, von KMD Ernst Leuze auf der Orgel der Herz-Jesu-Kirche bei den Jesuiten in der Stadt gespielt (der Anmarsch vom Seminar zur Kirche unter dem Regenschirm), einen Vortrag mit Bilderausstellung und Musik von Franz-Georg Rössler und Rita Rössler-Buckel über Leben und Werk von Rose Ausländer; einen Vortrag von Gerrit Berveling aus den Niederlanden über seine neue Übersetzung der Spätschriften des Alten Testaments; einen Bericht von Stanislaw Mandrak aus Polen über seine China-Reise zum 50. Jubiläum der Zeitschrift El Popola Cxinio; eine Präsentation von Julia Sigmond aus Rumänien über den Weltgebetstag der Frauen. Und nicht zu vergessen: ein Tagesausflug oder besser eine Studienfahrt in die Berge; die Busse hatten unzählige Kehren zu bewältigen bis zu dem Marienwallfahrtsort Marija Bistrica, wo vor einigen Jahren der Märtyrerkardinal Stepinac von Papst Johannes Paul selig gesprochen wurde. Manche Wallfahrer, die nicht zum Kongress gehörten, werden sich gewundert haben, dass die Messe in der Wallfahrtskirche in einer ihnen fremden Sprache von Priestern aus Ungarn, Polen, Frankreich und Deutschland konzelebriert wurde. Für die Evangelischen, denen die Hochschätzung von Wallfahrtsorten und die Verehrung von Heiligen sehr fremd ist, hielt Dr. Jure Zecxevicx, seit einem Jahr ordentlicher Professor für Ökumenik an der katholischen theologischen Fakultät in Zagreb, einen sehr klaren, informativen Vortrag zu diesem Thema und der konfessionellen Situation in Kroatien überhaupt. In der Wochenzeitschrift Glas Koncila hat er in sieben großen Fortsetzungsartikeln die neue Charta Oecumenica, die in Straßburg beschlossen wurde und bei uns bisher nicht sehr bekannt wurde, ausführlich dargestellt und besprochen – nur schade, dass die wenigsten von uns den kroatischen Text lesen können.

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